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Das jugendliche Gehirn im digitalen Zeitalter


Das Gehirn des Menschen hat sich im Verlauf der Evolution zu einem Werkzeug entwickelt, das unter anderem für Kommunikation und den Aufbau von Vertrauen spezialisiert ist. Heutzutage wird es aber mit vollkommen neuen Anforderungen konfrontiert, für die es biologisch gar nicht vorbereitet ist.


Vor allem in den vergangenen 10 bis 12 Jahren (Erfindung des iPhone und iPad) erleben wir für die Menschheitsgeschichte einmalige kulturelle Veränder­ungen. Neben den vielen begrüssenswerten Möglichkeiten, die sich mit der Einführung dieser Technologie eröffnen, haben sich aber massive Probleme offenbart, für die insbesondere das jugendliche Gehirn nicht vorbereitet ist. Dies sind (1) der Umgang mit der enormen Menge an Informationen und (2) die veränderte zwischenmenschliche Kommunikation.


Praktisch jederzeit und an jedem Ort findet man das gesamte Produktionsinventar menschlichen Daseins im WWW. Diese enorme Menge von «Informationen» überfordert unser Gehirn massiv, was gelegent­lich dazu führt, dass wir letztlich nicht mehr die Agenten unseres eigenen Handelns sind. Wir werden dann mehr oder weniger die «Sklaven» der unser Verhalten bestim­men­den Reize.


Mit entsprechend stark ausgeprägter Selbstdisziplin kann man allerdings diesen Verlockungen widerstehen. Die Kraft zur Selbstdisziplin entfaltet sich im Frontalkortex, in dem sich neuronale Netzwerke befinden, die uns zur Kontrolle von Emotion, Motivation und der Aufmerksamkeit befähigen. Bei Jugendlichen und vor allem Pubertierenden sind diese so wichtigen Netzwerke noch gar nicht voll ausgereift. Demzufolge arbeiten diese Netzwerke suboptimal, was im Wesentlichen auch die suboptimalen Leistungen hinsichtlich der von ihnen kontrollierten psychischen Funktionen erklärt.


Mit den neuen Kommunikationswerkzeugen treten wir in Kontakt mit Kommunikationspartnern, die wir nicht sehen, zumindest nicht im Moment des Kommunikationsaktes. Im Grunde sind unsere Gesprächspartner Avatare, also digitale Wesen, denen wir lediglich imaginativ reale Personen zuordnen können. Kurzum, die Kommunikation wird zunehmend unbiologischer. Es fehlt der direkte Augen- und Gesichtskontakt, was zur Folge hat, dass wir die über Hunderttausende von Jahren perfektionierten nonverbalen Kommunikationsmechanismen nicht mehr nutzen. Das führt dann zu einer enthemmten, fragmentarischen, ineffizienten und gelegentlich fehlerhaften Kommunika­tion über die digitalen Kanäle. Hinzu kommt noch eine zunehmende Vereinfachung und Verfälschung der verbalen Signale durch den Gebrauch von Dialekten, sowie unbeholfener und grammatikalisch fehlerhafter Sprache. Das wäre ungefähr so, wie wenn wir bei einem Kinofilm die Bilder wegschneiden und den auditorischen Kanal verfremden und fragmentieren würden.


Aber wie meistern wir die Probleme dieser digitalen Revolution und, was viel wichtiger ist, wie sollen die Heranwachsenden damit umgehen? Ein wesentlicher Weg aus der digitalen Falle ist meines Erachtens die Reduktion der vielen verlockenden Reize. In anderen Worten, wir müssen die Welt der Heranwachsenden an manchen Punkten überschaubarer und damit bewältigbarer gestalten. Das bedeutet, wir müssen sie vor dieser Reizüberflutung bewahren und gleichzeitig auch darauf achten, dass die biologisch fundierte nonverbale Kommunikation gepflegt wird. Dabei dürfen wir nicht vergessen, die nicht voll ausgereiften Frontalkortexfunktionen (Emotions-, Motivations- und Aufmerksamkeitskontrolle sowie Selbstdisziplin) üben zu lassen. Wir müssen unsere Heranwachsenden anleiten, bestimmte Dinge konzentriert und kontrolliert über längere Zeit zu bewältigen. Vor allem müssen wir sie anleiten und ihnen vormachen, dass «weniger mehr ist». Die Konzentration auf Wesentliches muss in Zukunft im Vordergrund stehen und nicht die Hingabe an das Beliebige.

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