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Von Weinkennern und Laien

«Rheinwein stimmt mich immer weich und löst jedes Zerwürfnis

(Heinrich Heine)


Das erste Mal, als ich einen Weinkritiker sagen hörte: "Ich spüre Aromen von reifen Beeren, ein Hauch Vanille, mit einer Note von geröstetem Eichenholz," dachte ich: "Also bitte, das ist doch alles nur Blödsinn!" Kein normaler Mensch, der einfach ein Glas Wein geniessen will, würde so reden. Zugegeben, ich bin kein Sommelier, und meine Weinbeschreibungen klingen eher wie: "Hmmm, das ist gut," oder "Nö, das mag ich nicht." Aber mal ehrlich, wer von uns Normalsterblichen kann ehrlich sagen, dass er schmeckt, ob der Wein in französischen oder amerikanischen Eichenfässern gereift wurde?


Nicht, dass ich all die erlesenen Weinproben oder die Leute, die sich darauf spezialisiert haben, herabsetzen will. Natürlich, es gibt Kenner, die tatsächlich die feinsten Nuancen eines Weins herausschmecken können. Aber, seien wir mal ehrlich, wie oft sind wir bei einer geselligen Runde zusammengekommen und haben mehr über den Wein geredet, anstatt ihn einfach zu geniessen?


In einem Experiment testeten Wissenschaftler der ETH Zürich, wie Vorinformationen unsere Weinbewertungen beeinflussen (1). Sie liessen die Versuchsteilnehmern (alles normale und gesunde Personen) einen hoch bewerteten argentinischen Wein trinken. Es war der Clos de Los Siete (Jahrgang 2006), den Robert Parker (eine Legende in der Weinkritik) mit 92 von 100 Punkten bewertet hat.


Die Versuchsteilnehmer teilten sie per Zufall in zwei Gruppen. Gruppe 1 teilten sie mit, dass der Wein eine hohe Bewertung von Weinfachleuten erhalten habe (92 Parker-Punkte). Den Teilnehmern der anderen Gruppe erklärten sie, dass der Wein lediglich mit 72-Parker-Punkten bewertet wurde (also deutlich schlechter). Danach durften sie den Wein probieren und bewerten.


Und ratet mal, was passiert ist? Die Leute, denen gesagt wurde, dass der Wein gut bewertet wurde, haben ihn besser bewertet als jene, denen gesagt wurde, dass der Wein schlecht bewertet wurde. Was für ein Schock, oder?


Dieses Experiment zeigt nur, wie stark unser Geschmack von unseren Erwartungen und Vorinformationen beeinflusst wird. Wenn du also das nächste Mal zu einer Weinprobe gehst und jemand sagt: "Dieser Wein hat Aromen von Kirschen, Schokolade und ein Hauch von Leder", dann denke einfach daran: Am Ende des Tages ist es egal, was die Weinexperten sagen. Was wirklich zählt, ist, ob du den Wein geniesst oder nicht. Denn seien wir ehrlich, das ist der ganze Zweck von Wein, oder? Prost!


 

(1) Siegrist, M., & Cousin, M. E. (2009). Expectations influence sensory experience in a wine tasting. Appetite, 52(3), 762-765.

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