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Gesundes Altern – Warum unser Gehirn mehr kann, als wir denken

  • ljaencke9
  • 10. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit


Altern wird oft als Abstieg erlebt – als ein Prozess, in dem körperliche und geistige Fähigkeiten langsam, aber unaufhaltsam abnehmen. Tatsächlich zeigen viele Studien, dass bestimmte Leistungen im Alter nachlassen: die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, die Flexibilität beim Problemlösen, das Arbeitsgedächtnis. Doch dieses Bild greift zu kurz. Denn Altern ist mehr als ein Rückbau – es ist auch ein Umbau. Und vor allem: Es ist ein gestaltbarer Prozess(1).


Unsere Forschung zeigt deutlich: Die geistige Fitness im Alter ist nicht allein eine Frage der Gene oder des Schicksals. Sie ist stark davon abhängig, wie wir leben – insbesondere, wie wir uns geistig, sozial und körperlich betätigen.


Das Gehirn bleibt plastisch – ein Leben lang


Lange Zeit ging man davon aus, dass sich das Gehirn nach der Kindheit kaum noch verändert. Heute wissen wir: Das stimmt nicht. Das Gehirn bleibt formbar, anpassungsfähig – plastisch – bis ins hohe Alter. Neue Verbindungen zwischen Nervenzellen entstehen dort, wo das Gehirn gefordert wird. Lernen, neue Erfahrungen, körperliche Bewegung oder soziale Interaktion regen die Neubildung und Vernetzung neuronaler Strukturen an. Kurz: Wer aktiv bleibt, hält sein Gehirn jung.


Drei Schlüssel zur geistigen Fitness


In unseren eigenen Studien zum Altern – unter anderem in der Zürcher lHAB-Studie (longitudinal Healthy Aging Brain) – haben wir wiederholt gesehen, dass drei Aktivitätsformen entscheidend sind:


1. Kognitive Aktivität: Lesen, Musizieren, Rätsellösen, Schreiben, Lernen – all das hält unser Gehirn wach. Besonders wirksam ist geistige Aktivität dann, wenn sie fordernd und abwechslungsreich ist. Wichtig ist nicht, immer besser zu werden, sondern immer wieder etwas Neues zu wagen. Auch digitale Medien können hier helfen, wenn sie klug genutzt werden.


2. Soziale Aktivität: Der Austausch mit anderen Menschen schützt das Gehirn. Gespräche, Diskussionen, gemeinsames Lachen – das alles aktiviert komplexe neuronale Netzwerke. Studien zeigen: Einsamkeit ist ein Risikofaktor für kognitiven Abbau, soziale Eingebundenheit hingegen wirkt wie ein Schutzschild.


3. Körperliche Aktivität: Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns, regt die Ausschüttung neurotropher Faktoren wie BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) an und verbessert die Gedächtnisleistung. In einer bekannten Studie konnte etwa gezeigt werden, dass schon regelmäßiges Nordic Walking den Hippocampus – eine für das Gedächtnis zentrale Struktur – vergrößert.


Gesundheitliche Faktoren nicht vergessen


Neben diesen Aktivitäten spielt auch die körperliche Gesundheit eine wichtige Rolle. Besonders relevant sind Bluthochdruck und Diabetes, da sie die feinen Blutgefäße im Gehirn beeinträchtigen können. Die gute Nachricht: Diese Erkrankungen sind heute in vielen Fällen gut behandelbar – und ihre Kontrolle hilft nicht nur dem Herzen, sondern auch dem Gehirn.


Auch Ernährung, Schlafqualität, Umgang mit Stress und der Verzicht auf schädliche Substanzen wie Nikotin wirken sich langfristig auf die geistige Leistungsfähigkeit aus.


Nicht nur Verluste – auch viele stabile und wachsende Fähigkeiten


Interessanterweise zeigen Langzeitstudien, dass nicht alle kognitiven Leistungen im Alter nachlassen. Einige, wie etwa der Wortschatz oder das semantische Wissen, bleiben stabil oder verbessern sich sogar. Auch emotionale Kompetenzen, Gelassenheit und soziale Intelligenz nehmen oft zu. Das sollte unseren Blick auf das Alter verändern: Es geht nicht nur um Verluste, sondern auch um Gewinne und neue Möglichkeiten.


Eine Frage der Einstellung


Letztlich entscheidet auch die Haltung zum eigenen Altern darüber, wie aktiv und gesund man bleibt. Wer das Alter als Chance begreift – als Phase, in der man neue Dinge lernen, gestalten und erleben kann –, der aktiviert sein Gehirn auf eine ganz besondere Weise. Das Konzept der „kognitiven Reserve“ beschreibt genau das: Durch lebenslange Aktivität und geistige Anregung können Hirnstrukturen aufgebaut werden, die im Alter kompensatorisch wirken und vor geistigem Abbau schützen.


Fazit: Aktiv bleiben lohnt sich – auf allen Ebenen


Geistige Fitness im Alter ist kein Zufallsprodukt. Sie ist das Ergebnis eines aktiven Lebensstils. Wer sich bewegt – geistig, sozial und körperlich – kann viel dafür tun, um auch im hohen Alter wach, lernfähig und lebensfroh zu bleiben. Das Gehirn dankt es uns mit Anpassungsfähigkeit, Kreativität und Widerstandskraft. Oder anders gesagt: Use it or lose it.


(1) Dieser Text fasst meinen Vortrag zum „Gesunden Altern“ zusammen, den ich mittlerweile auf vielen Veranstaltungen in verschiedenen Versionen gehalten habe. Grundlage sind unsere eigenen Studien, die im Rahmen des universitären Forschungsschwerpunktes "Dynamic of Healthy Aging" an der Universität Zürich in den vergangenen 15 Jahren durchgeführt wurden. Mittlerweile existieren mehr als 80 Originalarbeiten unserer Forschungsgruppe zu diesem Thema.

 
 
 

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